von theo
Ich bin überzeugt: Jetzt ist er da, der „kairos“, den man/ frau ergreifen muss. Jetzt ist die Zeit, um einen neuen Blick auf das, was Kirche ist, zu wagen. Ich träume davon, Kirche neu zu denken – weg von einer hierarchischen hin zu einer diakonischen Kirche. Neu denken, was Sakramentalität und Amt bedeuten. Neu denken, wer zur Spendung welcher Sakramente beauftragt wird. Das wäre es. Vor diesem Hintergrund sollte auch die Frage nach Leitungs- und Weiheämtern für Frauen neu bedacht werden – ohne Tabuisierung, ohne Denkverbote und ohne Vorverurteilung und Ausgrenzung Andersdenkender. Wer sind wir, so frage ich mich, dass wir Gott vorschreiben wollen, wen er in seiner Kirche in welche Ämter und Dienste beruft und welches Geschlecht die Berufenen haben müssen. Wir können nur dann die verlorene Glaubwürdigkeit unserer Kirche zurückgewinnen und den Exodus der Frauen und der jungen Menschen aufhalten, wenn wir uns radikal, d.h. von der Wurzel her, besinnen, wenn wir umkehren und neue Wege beschreiten. Dann kann die gegenwärtige Krise eine große Chance sein.
Sr. Philippa Rath OSB, *1955, ist Benediktinerin und hat sich intensiv mit den Schriften der Heiligen Hildegard von Bingen auseinandergesetzt. Sie lebt in der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim und wurde 2019 für ihr Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Für mich ist es das Wichtigste, anderen Menschen beizustehen, da liegt für mich der Kern. Und das wird sich nicht ändern. Mit den Jahren ist das Vertrauen auf Gott immer größer geworden. Und so kommt es, dass ich im Auftrag Gottes schon mal stören muss. Raus auf die Straße, hieß es für mich, den Dreck spüren, die Armut atmen. Jesus war doch immer da „wo die Straße ist“. Die Straßenexerzitien habe ich nicht erfunden, sie sind mir zugeflossen. Exerzitien heißt ja erst einmal üben. Aber was üben wir genau? Wir üben die Aufmerksamkeit dem Leben gegenüber. Wir Menschen brauchen diese Aufmerksamkeit um zu spüren, wohin uns die eigene Sehnsucht zieht. Doch bevor ich in die Achtsamkeit komme, muss ich vorher die Schuhe der Distanz und der Vorurteile ausziehen. Der spirituelle Einstieg in die Straßenexerzitien ist die Geschichte vom brennenden Dornbusch, den Moses in der Wüste entdeckte. Gott wies ihn an, seine Schuhe auszuziehen und zuzuhören. Hier bekam er den Auftrag zur Befreiung seines Volkes in Ägypten. Ein heiliger Ort, weil Moses Gottes Wort hörte und verstand.
(Aus einem Interview von katholisch.de mit Christian Herwartz)
Christian Herwartz SJ, *1943 ist Jesuit und römisch-katholischer Priester. Er gründete die Straßenexerzitien in Berlin und lebte jahrelang in einer Kommunität zusammen mit Obdachlosen und ehemaligen Strafgefangenen. Aus Altersgründen lebt er seit 2016 im Canisius-Kolleg.
Das Leben wird schön, wenn ich mich auf den anstrengenden Weg begebe. Die Entscheidung fürs Ordensleben war für mich eine Entscheidung für einen intensiven „Liebesweg“ mit Gott, und wo echte Liebe im Spiel ist, ist der Mensch frei. Ich glaube, es gibt in dieser Welt gar keinen Ort außerhalb Gottes. Er ist der Grund aller Dinge, das ist mein Glaube. Armut bedeutet für mich, Ja zu sagen, dass wir uns alles Wesentliche im Leben schenken lassen müssen. Für mich hat der christliche Glaube eine ganz große Weite, wenn ich zum Beispiel das Evangelium lese, bin ich immer wieder ergriffen, auf welche Weise Jesus mit den Menschen unterwegs war, und da gibt es einfach nichts, was nicht sein darf in der Beziehung zu Gott, im Evangelium ist eigentlich das ganze Menschsein drin. Gott sagt nicht irgendwann: so, ich habe jetzt keine Lust mehr auf euch, macht euren Kram allein, sondern da ist dieses immerwährende Mitgehen, das, was Jesus auch mit den Menschen gelebt hat. Genau das möchte ich gern in die Welt hineintragen, das Befreiende, die Freude, die nicht oberflächlich ist, sondern ganz tief gründet. Deswegen engagiere ich mich gegen Kirchenaustritte. (Aus einem SWR-Interview mit Schwester Ursula 2019)
Schwester Ursula Hertewich, OP *1973, ist ausgebildete Apothekerin und promovierte Biologin und lebt heute als Dominikanerin im Kloster Arenberg. Gemeinsam mit Mirko Kussin gab sie 2019 das Buch heraus: „ZweiSichten“
Was, wenn Christus ein Name für das Transzendente in jedem „Ding“ im Universum ist? Was, wenn Christus ein Name für die ungeheure Tragweite jeder wahren Liebe ist? Was, wenn sich Christus auf einen grenzenlosen Horizont bezieht, der uns innerlich anzieht und gleichzeitig vorwärtstreibt? Was, wenn Christus ein anderer Name für alles ist – in seiner ganzen Fülle? […] Sobald wir diese Vision begriffen haben, hat sie meines Erachtens die Kraft, all das radikal zu ändern, was wir glauben, wie wir andere sehen und uns zu ihnen verhalten, wie wir die Größe Gottes erspüren und wie wir verstehen, was der Schöpfer in unserer Welt wirkt. […] Eine kosmische Sichtweise des Christus konkurriert mit niemandem und grenzt niemanden aus, sondern schließt alle und alles ein und erlaubt Jesus Christus schließlich und endlich, eine Manifestation Gottes zu sein, die das gesamte Universum in sich birgt und trägt. Wenn man die christliche Botschaft so versteht, schlagen die Liebe und Gegenwart des Schöpfers in der geschaffenen Welt Wurzeln, und die theoretische Unterscheidung von „natürlich“ und „übernatürlich“ wird sozusagen hinfällig. Albert Einstein soll gesagt haben: „Es gibt nur zwei Weisen, dein Leben zu leben. Entweder so, als sei nichts ein Wunder, die andere, als sei alles ein Wunder.“ […] Christus ist überall. In Ihm hat jede Art von Leben Sinn und steht mit allen anderen Lebensformen in einer festen Verbindung.“
Aus: „Alles trägt den einen Namen. Die Wiederentdeckung des universalen Christus“. Gütersloher Verlagshaus 2019.
Richard Rohr,OFM *1943, ist Franziskaner und Mystiker. Er arbeitete zunächst als Religionslehrer bei Chicago und gründete später ein spirituelles Zentrum für Kontemplation in New Mexiko. Seine Bücher finden weltweit Verbreitung.