Der Lichtbote

von

Der Energie des Kölner Astrophysikers Heino Falcke (53) ist es zu verdanken, dass vor gut einem Jahr das erste Foto eines Schwarzen Lochs die Welt verblüffte. Aber Falcke ist nicht nur Physiker, er ist auch Geistlicher.

5/2020

Der Mann beschäftigt sich mit den finstersten Phänomenen, die die Menschheit zu kennen glaubt: Den Schwarzen Löchern. In seinem vielbeachteten Buch Licht im Dunklen schildert Heino Falcke, wie das erste Foto eines solchen Schwarzen Lochs entstehen konnte und warum es uns demütig machen sollte.

Als er vor zwanzig Jahren die Idee veröffentlichte, ein Schwarzes Loch zu fotografieren, war seine Tochter sieben Jahre alt und fürchtete sich vor dem Moloch, „weil er alles auffrisst“. 

2017 gelang es einem internationalen Team von Astronomen, das Bild zu erstellen – indem die Wissenschaftler acht große Radioteleskope auf das Zentrum der Galaxie M 87 richteten. Am 10. April 2019 wurde das Foto zeitgleich in Brüssel, Washington, Tokio, Santiago de Chile, Taipeh und Shanghai der Weltöffentlichkeit präsentiert. Eine Sensation.

Es zeigt einen dunklen Schatten, der von einem leuchtenden Ring umgeben ist. Ein Nichts von gigantischem Ausmaß wird sichtbar – und eine Sternstunde der Physik.

Den Wissenschaftler Falcke trieb die Frage vor sich her: ist es nun wirklich ein Schwarzes Loch oder machen wir uns etwas vor?

„Das hat mich monatelang um den Schlaf gebracht. Wir haben, um ganz sicher zu gehen, die Bildalgorithmen mit simulierten Daten gefüttert und überprüft, ob sie eine Scheibe mit einem Loch in der Mitte von einer Scheibe ohne Loch unterscheiden können. Das können sie. Deswegen waren wir ziemlich sicher, dass der Schatten des schwarzen Lochs kein Artefakt der Bildbearbeitung ist“, sagt er in einem Interview.

Heino Falcke, der 1994 mit summa cum laude an der Universität Bonn promoviert hat, ist heute Professor an der Radboud-Universität in Nijmwegen und lehrt auf Niederländisch.(„Der Rheinländer hat da Vorteile, es gibt einige Übereinstimmungen mit dem Niederländischen“). Selbstverständlich forscht er weiter über die schwarzen Löcher, diese massenfressenden Nichtorte. Als er als junger Student der Radioastronomie begann, sich mit Schwarzen Löchern zu beschäftigen, schien es noch illusorisch, diese Objekte sichtbar zu machen, von denen man damals auch kaum etwas wusste.

Wie lässt sich überhaupt in einfachen Worten erklären, was ein Schwarzes Loch ist?

„Unglaublich viel Materie auf unglaublich kleinem Raum, so daß nichts entkommen kann – kein Licht, kein Mensch, kein Wort kann sich dieser Schwerkraft entziehen. Das Schwarze Loch ist eine fundamentale Grenze, etwas Höllisches.“ Und deswegen sei es emotional besetzt. Schwarze Löcher stünden gewissermaßen für menschliche Urängste, Monster, die alles verschlingen.

Das epochale Foto könnte Allmachtsfantasien wecken, denn der sogenannte Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs gilt als Grenze des menschlichen Wissens, als das Ende von Raum und Zeit. Setzt der Mensch sich also gerade über diese Grenze hinweg und lüftet die letzten Geheimnisse des Universums? Manche Naturwissenschaftler denken so, wie der verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking, der mit seiner Erkenntnis provozierte, Gott sei überflüssig. Die Entstehung des Weltalls lasse sich auch ohne göttliche Fügung erklären.

Der gläubige Christ Heino Falcke sieht das anders. Vor allem hält er es für anmaßend, wenn Physiker glauben, alles erklären zu können. „Eine Physik ohne Gott ist nicht in der Lage, die großen philosophischen Fragen der Menschheit nach dem Woher, Wohin und Warum zu beantworten“, sagt er in einem Interview der Neuen Zürcher Zeitung.

Falcke plädiert deswegen dafür, die Botschaft der Schwarzen Löcher ernst zu nehmen und die Grenzen des menschlichen Wissens zu akzeptieren. Dass ein Wissenschaftler im Angesicht seines größten Triumphes derart bescheiden auftritt, ist schon eine Besonderheit.

„Wir müssen uns in die Idee hineindenken ‚Gott ist da‘. Dann können wir experimentieren, wie in der Wissenschaft experimentiert wird. Gott auszuprobieren ist wichtig. Die Physik probiert auch aus“, erläuterte er kürzlich vor Publikum. Und weiter:

„Ich frage mich, wie man Wissenschaftler sein kann und nicht gläubig. Wenn wir immer weiter gehen mit unseren physikalischen Forschungen müssen wir irgendwann zu Gott kommen, zu der Ursache von allem. Ein Naturgesetz wie die Gravitation ist immer da und bleibt, wie sie ist. Und genauso ist Gott: immer da!“

Heino Falcke, der Astrophysiker, ist auch Laienpfarrer der evangelischen Kirche im Rheinland. In einer Gemeinde in Frechen nimmt er die Gläubigen schon mal mit auf eine Reise durchs Weltall, die seinem Buch Licht im Dunklen zugrunde liegt. In diese besondere Art der Predigt baut er Bibelzitate und Psalmverse ein. 

„Glaube und Wissenschaft begegnen sich doch in der Faszination für den Sternenhimmel. Seit Jahrtausenden befinden wir uns auf einer Reise: durch die Welt und auch durch das All. Mit den Schwarzen Löchern stoßen wir an unsere Grenzen. Wir sind von den Eroberern wieder zu Suchenden geworden, die sich neue Fragen stellen müssen.“  //

Heino Falcke (53) ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Er lebt in Frechen bei Köln, ist Hobby-Fußballer und Autor des Buches „Licht im Dunklen“ Klett-Cotta. Mit seiner Frau geht er den Jakobs-Weg in Etappen