Wirken
für den Höchsten

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Gregor Maria Hoff ist Spross einer seit Generationen tief im Katholischen verwurzelten Familie. Der Professor für Fundamental- und Ökumenische Theologie hat eine zweite Leidenschaft: er schreibt Kriminalromane. Grund genug, sich mit ihm zu unterhalten.

5/2024

Foto: Thilo Schmülgen

Die Sprache der Theologie, eine streng akademisch-wissenschaftliche Sprache also, reichte noch nie aus, um den Menschen eine Glaubenswahrheit verständlich zu machen. Vielleicht ist das das entscheidende Dilemma der vielerorts in einer Sackgasse steckenden Theologie. Das dürfte Gregor Maria Hoff womöglich längst aufgegangen sein. Er ist Professor an der Paris-Lodron-Universität Salzburg, aber er ist auch fiktionaler Erzähler, eine ungewöhnliche Kombination, die nur scheinbar Unvereinbares zusammenbringt.
Gregor Maria Hoff schreibt Romane, Kriminalromane zumeist, in denen er einen starken Bezug zur Theologie erkannt haben will:
„Der christliche Glaube ist ein offenes Narrativ und kein geschlossenes. Das gilt auch für die Fundamentaltheologie.“ Ja, und das gilt auch für seine Geschichten.
Gregor Maria Hoff lebt am Niederrhein, eine Region, in der er auch seine Romane ansiedelt.
Sein aktuelles Buch Nebel am Ende, in dem es von sprichwörtlich nebulösen Verstrickungen wimmelt, spielt mit ungewöhnlichen Metaphern und Figuren und ist Teil einer Trilogie. Sehr langsam lösen die Verstrickungen im Romangeschehen sich auf, wie auch der Ort, das Dorf Dornbusch, langsam in Auflösung begriffen ist. Es soll dem anrückenden Braunkohletageabbau zum Opfer fallen.
Zu Dornbusch hat Gregor Maria Hoff eine familiäre Beziehung: Sein Großvater wirkte dort als Küster und Organist, sein Vater wuchs hier auf, wurde später Kirchenmusiker und Kantor.
In Nebel am Ende geht es um drei alte Herren, Freunde aus vergangenen Schultagen. Eine ziemlich deprimierende Truppe hat sich da zusammengefunden: Der eine, Barth, ist Kommissar, krebskrank, der Priester Jakob verkündet stoisch das Wort Gottes, ohne so recht daran zu glauben, und Melchor betreibt im Rollstuhl sitzend einen Friedhof im Internet.
Keine guten Voraussetzungen für einen Bestseller sollte man meinen.
Doch wie der Autor den drei Protagonisten tiefgründige Dialoge in den Mund legt, wie er mit einer bildhaften Sprache und gekonnten Vergleichen diese Scheintoten ins Leben holt, das ist schon beeindruckend. Tatsächlich tot ist der alte Bauer Haverkamp, der an einem Strick baumelnd hoch oben in einer Eiche aufgefunden wird. Sein Hof sollte ebenfalls dem Tagebau weichen. War es Selbstmord aus Verzweiflung? War es Mord? Ein Fall für den Altkommissar Barth, aus dessen Perspektive der Roman erzählt wird, und der es schon bald mit einem weiteren Toten zu tun bekommt.
„Ich habe große Lust am Erzählen“, erläutert Gregor Maria Hoff sein literarisches Schaffen. „Theologie hat eine Menge zu tun mit gut erzählten Geschichten. Es macht Spaß, sich in den Möglichkeitsraum von Geschichten hineinziehen zu lassen.“

Hoff blickt auf eine beeindruckende Karriere: Nach dem Abitur an einem bischöflichen Gymnasium wollte er mehr über seinen Glauben erfahren, studierte klassische Philologie, katholische Theologie und später Germanistik. Zwei Jahre lang vertiefte er sich als Priesteramtskandidat bei den Jesuiten in St. Georgen in die „Lehre von Gott“, entschied sich dann gegen ein zölibateres Leben. Es folgten Promotion und Habilitation in Bonn, da arbeitete er schon als Lehrer für Philosophie, Deutsch und Theologie. Er heiratete, wurde Vater zweier Söhne, von denen einer ebenfalls die Theologie gewählt und bereits eine Vertretungsprofessur übernommen hat.
„Das habe ich von meinem Sohn nicht erwartet, es hat mich überrascht.“
Und da ist Hoffs jüngerer Bruder Ansgar, der als Studiendirektor in Krefeld Philosophie, Deutsch und Religion unterrichtet.
Mehr katholische Pädagogik in einer Familie geht kaum.
„Meine Eltern haben mir eine Selbstverständlichkeit von Glauben vermittelt. Doch als Theologe muss ich immer wieder neue Fragen zulassen, Dogmen hinterfragen.“
Geschrieben habe er schon immer, mit erfundenen Geschichten so manche Unbill überstanden und als Junge zwei kleine Literaturpreise eingeheimst.
Mit dem Titel Welt verloren veröffentlichte Gregor Maria Hoff 2022 den ersten Teil seiner Trilogie, der sich neben kriminalistischen Verirrungen mit Schuld und Verantwortung auseinandersetzt. Die Figuren von Teil drei spazieren selbstverständlich längst durch seinen Kopf und sollen bald literarisch zum Leben erweckt werden.
Seit 2015 ist Gregor Maria Hoff regelmäßig Autor bei der Wochenzeitung die ZEIT, behandelt souverän Kirchen- und Glaubensthemen. Was noch einmal eine ganz andere Art des Schreibens voraussetzt.
Während Kommissar Barth im wabernden Novembernebel seinen letzten Fall zu lösen versucht, macht er überraschende Entdeckungen. Geschickt zeichnet Hoff das Bild eines einfühlsamen Mannes, der nach 36 Jahren immer noch unter dem Tod seiner Frau Anna leidet, und der jetzt entdeckt, dass auch er endlich ist. Mit Rebecca betritt eine Frauengestalt das Geschehen, dafür ist es dann auch höchste Zeit.
Es sind die unerwarteten Wendungen, die dem Text Spannung und atmosphärische Dichte verleihen. „Wenn ich schreibe, bin ich nicht da, ich bin in den Figuren, die sehr lange mit mir leben“, resümmiert Gregor Maria Hoff.
Lange habe er im Studium überlegt, ob er als Germanist oder Theologe vor seine künftigen Studenten treten möchte, habe letztlich in der Theologie die existenzielle Relevanz gefunden, die es wohl braucht, um Leidenschaft für eine Sache entwickeln zu können. Die Leidenschaft aber ist ein unsteter Gast. Heute, mit sechzig Jahren, zieht es Gregor Maria Hoff von der Wissenschaft hin zur Prosa, im Geschichtenerzählen sieht er seine Zukunft. Dennoch wirkt er als Berater der Deutschen Bischofskonferenz und Konsultor in der päpstlichen Kommission für die Beziehungen zum Judentum
Außerhalb seiner Lehrtätigkeit bewegt er sich wenig im katholischen Kosmos, bevorzugt andere Kontexte. Und das ist ihm anzumerken. Sein unkonventioneller Geist und seine ausufernde Fantasie dürstet es nach mehr, nach dem wirklichen Leben. Dieses „wirkliche“ Leben erfährt er an Bahnhöfen und Flughäfen, wenn er zwischen Düsseldorf und Salzburg pendelt, dieses Leben erfährt er, wenn er in Kneipen mit Studenten und Studentinnen philosophiert, und er erfährt es, wenn er mit seinen Söhnen durch englische Grafschaften wandert.
„Weil Gott vor allem Beziehung ist.“
Da ist die eine, die unverrückbare Konstante im Leben des Gregor Maria Hoff, die ihn immer begleiten wird: Die Gottsuche. //