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Wie halten wir Christenmenschen es mit unserem Uranfang: „Im Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott selbst. Von Anfang an war es bei Gott“?

1/2025

Foto: Bruno Mader / Adobe Stock

Mit ihm, durch ihn, wegen ihm fing alles an. Und tut es immer wieder, jeden Tag, jede Stunde oder? Bei Lichte besehen sind wir in Wahrheit etwas schütter mit unseren Anfängen, oft genug fehlt es an Mut, an Kraft. In unseren Landen zählt nicht selten der Fortgeschrittene, der Kenner, der Wisser, der Macher aus Erfahrung. Hier zählt oft genug, wer schon immer hat, wer schon immer kann, wer schon immer weiß. Werden Beginner, wagemutige Unwissende von den selbsternannten Profis nicht gerne als Amateure ans Ende der Nahrungskette verwiesen, „stell Dich erst mal hinten an, Du weißt ja gar nicht wie es geht“?

Anfang ist mehr, viel mehr als nur der Anfänger oder die Anfängerin. Anfang ist eine Idee, hat eine eigene Kraft, entfaltet Faszination, reißt den Unschlüssigen mit. Anfänger sind mutige Menschen und eben nicht, wie gern im Deutschen, nur absolute Laien, Unkundige und Neulinge. Oder, wie um das Vorurteil zu bekräftigen, gleich „blutige“ Anfänger. Entnommen dem Englischen. Sagt doch der Engländer-Amerikaner auch, oder? „Bloody beginner“. 

Eine christliche Zivilgesellschaft lebt vom „Anfangen“, vom Neubeginn, von unkonventionellen, weil noch nicht gedachten Gedanken. Mehr denn je wollen wir in diesen Zeiten, dass etwas Neues geschieht, dass möglichst vieles, wenn nicht alles, „anders“ wird. Eine Gesellschaft blüht aber nicht, wenn immer die gleichen mit ihrem großen „Erfahrungsschatz“ sie bewässern, sie verkümmert und vertrocknet, weil ihr frisches Wasser fehlt. Dennoch mussten und müssen sich bis heute ganze Politiker-Generationen als „blutige Anfänger“ titulieren lassen, meist dann, wenn sie der gängigen und damit sanktionierten Meinung eine andere, dem Mainstream zuwiderlaufende Ansicht entgegenstellen. Da ist dann „das kann er ja nicht wissen, dieser Anfänger“ noch die freundlichste aller Zurechtweisungen. Es mag schon sein, dass der derzeitige (politische) Zustand ganz viel mit dieser Attitüde zu tun hat. Der beginnende Politiker muss bei uns mehr sein als der „Hinterbänkler“, der sich hoch, im Falle der Parlamente, nach vorne „dient“. Er und sie dürfen nicht abhängig sein von der Gunst der „Altvorderen“, derjenigen, die die vorderen Bänke besetzen und sie eifersüchtigst verteidigen.

Ebenso wenig der oder die angehende Unternehmerin. Wer es ernst meint mit einer am Menschen orientierten Ökonomie, weiß um die Bedeutung des „Immer wieder anfangen“. Oder wie die Amerikaner es unvergleichlich leben: immer einmal mehr aufstehen als hinfallen. Wer die Startup-Szene Deutschlands mit der der USA vergleicht, weiß schnell, was gemeint ist. Die wunderbare Geschichte von zwei werkelnden Geeks in der heimischen Garage von Steve Jobs im beschaulichen Los Altos wäre vermutlich so in Deutschland nicht möglich gewesen. Steve Jobs und Steve Wozniak erfanden den ersten Apple-Computer und gründeten damit das heute mit 900 Milliarden US-Dollar bewertete wertvollste Unternehmen aller Zeiten. In Deutschland hätten die beiden Anfänger-Jungs erstmal Bekanntschaft mit der deutschen Bürokratie gemacht. Anmeldung einer GmbH ohne Grundkapital von 25.000 Euro? Ein Unternehmen in einer Garage? Nach deutscher Arbeitsstättenverordnung unmöglich! Wer von der christlichen Soziallehre spricht oder schreibt, weiß um den Grundsatz „fordern und fördern“! Wagemut als Anfänger-Unternehmer ist eine zu schützende Charaktereigenschaft. Diese Leute schaffen Werte, sie schaffen Arbeitsplätze, sie schaffen das, was die christliche Soziallehre als Balance zwischen „Solidarität und Subsidiarität“ kennt.  

Nichterfahrung sollte bei uns also nicht länger als Defizit, gar als Schwäche und Einstellungshindernis gelten. Auch nicht als Machtinstrument in der Hand der „Langjährigen“, der Vollprofis, der „Vorderbänkler“. Von denen erwarten wir vielmehr den gleichen Wagemut wie bei den Anfängern, wer Unerfahrenheit eine Chance gibt, zeigt möglicherweise den gleichen Mut wie der Beginner. 

Fangen wir doch zunächst einmal damit an, für die Anfänger nicht länger die falsche Wort-Transformation des „blutigen“ zu verwenden. Denn viel mehr als das englische „bloody“ liegt das mittelhochdeutsche Wort „bluot“, das „Blüte“ und auch „Blühen“ bedeutet, zugrunde. So betrachtet, erfüllt sich plötzlich der Sinn solcher Redensarten wie „in der Blüte seiner Jugend“ oder „blühende Phase des Lebens“. Der Anfänger blüht, er wagt, er riskiert, er geht ins Unbekannte, ins Wagnis. Der eine in die Politik, der andere in die Garage. Und beide erleben vielleicht Niederlagen oder aber das berühmte „Anfängerglück“, dass die Psychologie so umschreibt: „anfängliche“ Erfolgserlebnisse steigerten die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Der „anfängliche“ Erfolg werde über-, die Zufallsabhängigkeit unterschätzt. 

Ja und? Der Anfänger hat etwas angefangen, ist sein Erfolg nun ein spezielles Glück, so ist es doch ein verdientes! Eine Gesellschaft, eine christliche zumal, lebten eben von solchen Menschen mehr als von den abgezockten Profis, die immer schon alles mal gesehen, aber nie reflektiert und nie eingebaut haben in ihre „langjährige“ Routine.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne und sei es der, an einer mehr und mehr solidarischen und subsidiären Gesellschaft mitgearbeitet zu haben. „Aus kleinem Anfang entspringen alle Dinge“, sagt Cicero. Fangen wir immer wieder an, etwas entspringen zu lassen!  //