Was
ist
Ihnen
heilig
?

von

 

1/2021

Was ist mir heilig? Ehrlich gesagt: jeder Tag. Mein ganzes Leben. Jeden Tag bin ich dankbar dafür. Wahrhaftig. Heilig bedeutet eigentlich wahrhaftig. Und wahrhaftig ist mir meine Familie heilig. Meine Eltern, mein Sohn. Meine Zeit mit ihnen ist mir heilig. Meine Zeit mit mir allerdings auch. Mir ist die Freiheit, „nein“ sagen zu dürfen, heilig. Überhaupt die Freiheit, in der ich leben darf. Als Frau, als Journalistin, als Mutter, als Tochter, als Freundin. Die liebsten Freunde sind mir die, zu denen ich sagen kann „nein, dazu habe ich keine Lust“, und die mir diese Ehrlichkeit nicht übelnehmen. Auch diese Freunde sind mir heilig. Und mein freier Sonntag.

Inga Grömminger, Journalistin, Chefredaktion BZ AM SONNTAG, Berlin

Johannes, 33, ist geistig behindert, das Jüngste unserer drei Kinder lebt bei uns. Und, freilich – er behindert auch. Johannes hat viel verändert im „normalen“ Leben. Wir hätten uns einen Gesunden gewünscht, doch wenn dem so nicht ist – wie damit umgehen? Sein Radius ist beschränkt, seine Ansprüche ziemlich „normal“. Über die Behinderung von Johannes will ich nicht schreiben, erkenne aber eine Parallele zu Corona: das Virus behindert uns alle, schränkt ein. Mit dieser Behinderung müssen wir leben! Die Überlegung, Johannes in eine Einrichtung zu geben, haben wir nie in Erwägung gezogen. „Alles kann, wer liebt“ (in Abwandlung zu Markus 9, 23 „alles kann, wer glaubt). Durch Johannes wird das Wort „heilig“ fassbar, konkret – durch meine Zuwendung spüre ich, dass er es ist, der mich heilt, ganz macht.

Hans-Günther Kaufmann, Fotograf, München

Ich stehe an einem Ort und alles ist plötzlich wie eine grosse Einheit. Das Licht, wie es auf den Felsen schimmert, die Formen und Farben des Canyons. Eine einzigartige gute Energie schwingt in der Luft. Ich möchte die Welt umarmen und fühle: Dieser Ort ist wie heilig, er gibt mir von seinem Geheimnis etwas ab. Das Gefühl wandle ich um in Malerei und lasse auch die Steine sprechen. Erde, Sand, Gestein finden sich nun auf der Leinwand. Bilden eine Harmonie, einen Ausdruck, inspirieren zum Zwiegespräch mit dem Macher und mit dem Betrachter.

Ulrike Arnold, Künstlerin, Düsseldorf

Heilig ist mir meine Freiheit als Mensch, als Deutsche, als Frau. Nur so ist selbstbestimmtes Leben möglich. Ja und heilig ist mir auch der Sonntag. Er nimmt sich heraus aus dem Rest der Woche. Der Alltag ist ein Stück weit ausgesetzt und man erreicht einen Zustand, der wochentags nicht möglich wäre.

Heike Weber-Thielmann, Lehrerin, Herborn

Eine Schneeflocke, die sich im Haar meiner Tochter verfängt. Die Minuten nach einer Vorstellung, allein in der Garderobe. Der Lärm von Diskutieren und Lachen beim Essen mit der ganzen Familie. Das Kribbeln von Liebe im Innern. Der Duft eines Buches, das ich zum ersten Mal aufschlage. Sonnenlicht, das sich durch die Blätter der Bäume bricht. Die kleinen Momente, voller Dankbarkeit und Demut. Sie sind mir heilig. 

Nadine Schori, Schauspielerin und Regisseurin, Berlin

Wenn ich wüsste, was heilig ist, könnte ich sagen, was Musik ist. Oder umgekehrt. Musik ist oft heilig, heilig, heilig. Musik ist, wenn der Himmel spricht. Einfach heilig. Das hörst Du. Das fühlst Du. Das siehst Du an anderen, wenn Du die Augen wieder aufmachst. Wenn Du nicht weinst. Dann ahnst Du: Musik ist heilig. Nicht nur mir.

Andreas Decker, Unternehmer Bonn