von Brigitte Haertel
Neulich erzählte mir ein Kollege von einem Mittagessen mit einem Freund, bei dem beide sich das gegönnt hatten, was ihre Frauen ihnen strikt untersagen: Riesencheeseburger mit fetttriefenden Pommes Frites und noch fettigerer Mayonnaise, hinuntergespült mit einem großen Glas Wein am helllichten Tag. „Mhh“, erinnerte sich mein Kollege noch immer genießerisch mit leicht triumphierendem Unterton.
Es sind neben den Müttern heute ihre Frauen oder Partnerinnen, die Männer erziehen (es jedenfalls versuchen), die ihnen sagen, wie sie zu essen, sich zu kleiden und zu reden haben (natürlich immer politisch korrekt und in diskriminierungsfreier Sprache).
Ich meine jene Frauen, die sich über eine Yogamatte definieren, die einmal wöchentlich den Fitnesstrainer und den Osteopathen antreten lassen, die im Park joggend und telefonierend den Kinderwagen vor sich herschubsen, wenn sie dem Hausmann daheim mal für ein paar Stunden freigegeben haben, um dann energiegeladen wieder in ihre Chefetage zurückzukehren.
Das mit der Chefetage ist gut und richtig und wurde höchste Zeit.
Diese moderne Städterin in ihrem gentrifizierten Viertel trinkt japanischen Sencha-Tee, ernährt sich bewußt, also vegan, und trägt nachts eine Schlafmaske.
Vieles will sie nicht mehr sein: nicht ausschließlich Mutter, nicht religiös, auf keinen Fall ein Sexsymbol oder gar der Schatten ihres erfolgreichen Mannes, dafür eine Perfektionistin des Alltags, die toxische Männlichkeit im Schlaf entlarvt (der neue Kampfbegriff, von medialen Blasen begierig aufgegriffen).
Auch ich finde, dass es genug ist mit der Vorherrschaft des Mannes, zu viele ausschließlich männliche Sichtweisen haben sich in Sprache, Kultur und Religion niedergeschlagen, aber für mein Empfinden ist es jetzt genug mit der Herabwürdigung des alten weißen Mannes.
Sicher, noch sehr viele dumpfe, gewalttätige und fanatische Männer, Rechtsradikale, Islamisten und Frauenverächter, Ignorante und narzisstische Profiteure und Vorgesetzte (auch und gerade in der Kirche) lassen das Geschlecht alt aussehen. Gleichzeitig erfreuen sich etliche weiße Männer mit Anstand, mit Feingefühl und Empathie, die dennoch „Mann“ und keine Weicheier geworden sind, bei Frauen großer Beliebtheit.
Was dieses Mann-Sein im einzelnen bedeutet, ist heute wohl die entscheidende Frage, denn offensichtlich muss Männlichkeit neu definiert werden – weil es die Geschichte so will.
„Traditionell männlich konnotierte Eigenschaften wie Entschlossenheit und Risikofreude sind für Männer heute verpönt, lassen sie als finsteren Machos dastehen, während genau diese Fähigkeiten Frauen aufwerten“, schreibt der Autor Tobias Haberl in seinem Buch: Der gekränkte Mann.
Wenn aber Männlichkeit neu definiert wird, gilt es für Weiblichkeit auch.
Für politisch engagierte Frauen, die die radikale Feministin Margareta Stokowski als moralische Instanz anbeten, ist nicht nur jeder weiße, krawattentragende und Gender-Sternchen ablehnende Mann politisch rechtsaußen, er gehört gleich ausgemistet.
Ihre politischen Überzeugungen vertreten diese Frauen ohne Erbarmen, plädieren für Vielfalt, haben selbst aber wenig Respekt vor anderen Meinungen. Über ihren törichten Slogan: „The future is female“ kann ich als ältere weiße Frau bloß lachen, würde er Schule machen, wäre die Menschheit bald ausgestorben. Und wie sähe sie wohl aus, die Welt ohne Männer. Gott bewahre!
Dieser aggressive Neo-Feminismus leugnet jeden biologischen Unterschied der Geschlechter. Es ist aber ein Fakt, dass die meisten Männer Frauen physisch überlegen sind, was ja, evolutionär betrachtet, völlig logisch ist und was sich bis heute darin zeigt, dass die meisten Gewalttaten von Männern begangen werden.
Doch die sich als radikal aufgeklärt sehenden Scharfmacherinnen sind davon überzeugt, nur ein extremer Feminismus sei ein guter Feminismus und könne die Verhältnisse zu Gunsten der Frauen ändern. Was soll dabei herauskommen? Nichts Gutes jedenfalls. Extremes zieht Extremes nach. Hass- und Hetzkommentare in sozialen Netzwerken erzählen davon, wie Menschen sich in ihren Blasen verheddern, anstatt einander zuzuhören. Es gibt nicht nur ein Deutschland, das aus Feministinnen und alten weißen Männern besteht, es existiert auch das vom Feuilleton so verachtete Gottschalk-Familiendeutschland, das sich vor einigen Monaten begeistert vor einem „Wetten-dass?“ Fernsehabend versammelte.
Selbst die Kirchen in ihrer armseligen Anbiederei an den Zeitgeist besetzen Spitzenpositionen nur noch mit Frauen, die sich zum modernen Feminismus bekennen, die das Gendern am liebsten auch in der Liturgie durchsetzen würden. Die neue Präsidentin der Caritas Deutschland, Eva Welskop-Deffaa, nennt es eine Ehre, sich als Feministin bezeichnen zu dürfen. Katholische Frauen- und Jugendverbände wollen das Wort „Gott“ künftig mit Gendersternchen schreiben und verbinden den Glauben mit „Feminismus“.
Ein paar Jahrzehnte zu spät würde ich sagen, denn der Begriff ist verbrannt.
Er ist nicht nur abgegriffen, auch viel zu viele Trittbrettfahrerinnen (gern auch mit aufgespritzten Lippen) führen ihn im Munde, ohne sich mit der historischen Bedeutung je befasst zu haben: Der Feminismus war und ist eine sehr wichtige und notwendige Strömung, die im Zuge der Aufklärung die Gleichstellung – nicht die Gleichheit – von Mann und Frau forderte. Und diese Gleichstellung ist noch längst nicht erreicht.
Heute, in Zeiten der Vielfalt, verweist der Neo-Feminismus mehr und mehr auf politische Theorien und Ideologien, die vor allem Männer als Übeltäter für alles und jedes begreifen. Wie kann es sein, dass sogenannte Aktivistinnen unwidersprochen behaupten können, Männer seien das Problem und Frauen die Lösung?
Wen wundert da noch die totale Verunsicherung, die sich vieler Männer bemächtigt hat.
Nein, Frauen sind nicht gleich die besseren Menschen. Männer wie Frauen suchen ihren Vorteil, streben nach Macht und Reichtum, booten andere aus, unterstützen oder traktieren einander, zitiert Tobias Haberl in seinem Buch den Soziologen Christoph Kucklick.
Ich sehe viele, vor allem junge gleichgeschaltete, gleichgekleidete und damit sterbenslangweile Frauen, die sich in einem absurden Kulturkampf um Identität verlieren, statt jene Eigenschaften in sich zu kultivieren, die aus unerwachsenen Rebellinnen echte Frauen machen: Klugheit, Empathie, Diplomatie und Großherzigkeit, Tugenden, die am ehesten helfen, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.
Das Spiel der Verführung zwischen den Geschlechtern, eine wichtige Kunst, die Sexismus unterwandern hilft, beherrschen diese modernen Frauen nicht mehr, da sind sie ganz und gar humor- und talentfrei. Ihr herausfordernder Dolchblick mahnt jeden Mann in Anmacherpose, ihr bloß nicht zu nahe zu kommen.
Sitzt aber eine solche Frau einem in ihren Augen mindestens ebenbürtigen Mann gegenüber, der Macht, Geld und Männlichkeit atmet, dann neigt sie nicht selten ihren Kopf zur Seite und die sorgsam manikürte Hand umspannt lächelnd das Kinn – denn garantiert schlummert sie noch in etlichen Frauen: die archaische Lust an der Unterwerfung.
Wo sind sie also, die wirklich aufregenden Frauen, die Charismatikerinnen, die nicht jedem politisch korrekten Irrsinn hinterherrennen, die sich nicht von einer Seite vereinnahmen lassen, die so viel Mumm haben, dass sie sich in ihrer eigenen Sprache behaupten: die glamourösen, die lässigen, die witzigen, die souveränen Frauen, die sich trauen, auch mal politisch unkorrekt aufzutreten, ohne gleich zu verletzen. Frauen, die Männer leise und diskret, statt lärmend korrigieren, ihnen ihre Würde lassen. Die zwischen den Geschlechtern vermitteln, statt zu spalten. Frauen, die lieben! Es gibt sie, aber sie kommen nicht mehr zu Wort, ja, nicht einmal mehr aus der Deckung. Auch das ist im Strom der Zeit untergegangen: eine eigene Meinung zu haben und sie zu äußern.
Für mich eine traurige, ja bedrohliche Entwicklung.
Tobias Haberl erzählt in seinem großartigen Buch davon, wie ihm seine konservativen Freunde heute wesentlich interessanter, offener, humorvoller, weitdenkender vorkommen als die Linksorientierten, die ihm gleichgeschaltet und weltfremd erscheinen.
Mir geht es ähnlich, und ich gehe noch weiter: ich war auch einmal links, als ich jung und unerfahren war. Das Hysterische der Feministinnen-Debatten haben mich in eine konservativere Position getrieben. Viele Milieus bekommen von diesen Debatten kaum etwas mit: ein Großteil der Bevölkerung auf dem Land, ältere Menschen, Migranten. Sie haben ganz andere Sorgen, Träume und Wertvorstellungen. Notwendige gesellschaftliche Veränderungen lassen sich sowieso nicht aufhalten, aber sie brauchen Zeit.
Nein, die radikale Feministin mit ihrer zur Schau gestellten, angeblichen Tugendhaftigkeit ist in Wahrheit eine Demagogin. Heldinnen sind die anderen: Die sogenannten Pflegekräfte, die Kita-und Altenbetreuerinnen, die Liebenden eben.
Der berühmte Satz von Simone de Beauvoir „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“ entzaubert sich mehr und mehr als gefährliche Verallgemeinerung. Sicher gibt es Frauen, die in eine weibliche Rolle gepresst werden, obwohl sie überproportional männliche Eigenschaften mitbringen, aber sie sind bei weitem in der Minderheit. Die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass typisch weibliche (und männliche) Eigenschaften und Verhaltensweisen mit auf die Welt gebracht werden. Das Geschlecht ist in den meisten Fällen kein soziales Konstrukt, sondern eine biologische Gegebenheit.
Meine Tochter hat sich schon als Zweijährige eine glitzernde Halskette umgelegt. Heute ist sie emanzipiert und links, und das ist gut so. Weil sie einer anderen Generation angehört, vor allem aber: Weil es zu ihr passt, weil sie ein großes Herz und einen noch größeren Gerechtigkeitssinn hat. //