von theo
Mein größtes Wort hat die Kraft, den Lichtschalter im Leben umzulegen: „Ja“. Während der Corona-Pandemie saß ich wochenlang neben meinem Sohn und versuchte mich als Aushilfslehrer und Motivationscoach. Seine Standardantwort auf alle Übungsangebote: „Nein“. Totale Verweigerung. In den Pausen meiner eigenen Verzweiflung spürte ich den Spiegeleffekt: Jahrelang habe ich selbst aus einer Position der inneren Verweigerung gelebt und damit unbewusst die „Alles Quatsch. Brauchen wir nicht“-Haltung meiner alten Heimat weitergeführt: „Ja“ und „Nein“ sind Geschwister. Der eine kann nicht ohne den anderen. Aber dieses Hausaufgabenmassaker hat mir deutlich gezeigt: Mit einem „Ja“ im Herzen und auf der Zunge scheint die Sonne heller und ich habe mehr Kraft, mich auf das Leben einzulassen als mit einem „Nein“, das mich gefühlt erst mal in die Ecke des Lebens stellt. Ein „Nein“ ist vordergründig einfach, macht aber schwach. Ein „Ja“ ist ein Bekenntnis: Zu mir, zum Gegenüber, zum Leben. Zum Jetzt. Und erfordert, dass ich mit einem klaren Bild darauf reagiere. Von mir selbst. Und dem, was ich selbst möchte: „Ja. Das will ich.“ Eine große Aufgabe. Eine große Chance.
Sven Schlebes, Berlin, ist stellvertretender Redaktionsleiter von theo
Ein Freund erzählte mir einmal diese Anekdote: Als seine Mutter im Sterben lag, hochbetagt und lebenssatt, durfte er in ihrem Krankenhauszimmer übernachten. Es war heller Morgen, seine Mutter war bereits für den Tag hergerichtet worden, er erwartete das Frühstück mit einem starken Kaffee, da ertönte die kratzige Stimme seiner Mutter, die die beiden letzten Tage nichts mehr von sich gegeben hatte: Sie sprach, während sie sich ihm langsam zuwandte: „Ich mache jetzt den Laden dicht.“ Im selben Augenblick durchschritt sie das Tor zur Ewigkeit. Dieser trockene Humor zeigt eine Haltung großer Gelassenheit, die Größe verleiht. Die Frau erhebt sich damit über die Dinge des Lebens. Humor, der nicht auf Wirkung aus ist wie etwa Witzeerzähler, ist die Antithese zur Komik, die im Außen punkten will. Humor als Grundhaltung zum Leben nährt die Fähigkeit, selbst schwierigen oder sogar traurigen Situationen noch einen heiteren Aspekt abzugewinnen und somit Konflikte zu lösen.
Brigitte Haertel, Düsseldorf ist Redaktionsleiterin von theo
Ein Wort bringt Menschen zum Grinsen, hebt die Laune und erzeugt beim Lesen eine ganz eigene Geschichte. Selbst griesgrämig dahingezischt klingt es noch frohlockend. Dieses Wort riecht nach frisch gemähtem Gras und frühem Sonnenaufgang – pur und ehrlich. Und es beschreibt einen wohl urinnersten Ausdruck größten Glücks: freudestrahlend.
Katharina Gebauer, Würzburg, ist Gestalterin, Fotografin und Autorin
Ein großes Wort ist für mich „und“. Es verzichtet auf einen eigenen Inhalt, um etwas Entscheidendes bewirken zu können: „Und“ dient der Begegnung. Es bringt Unterschiedliches in Beziehung zueinander, z.B. „Gott“ und „Mensch“. Das kann es nur, weil es um die verborgene Gemeinsamkeit der beiden weiß, ohne die eine Beziehung gar nicht möglich ist. Da es zwischen den beiden aufeinander Bezogenen steht, verhindert es ihre Verschmelzung, die jede Beziehung tötet: jedes bleibt, was es ist, und wird doch durch das andere verwandelt. So steht „und“ für den offenen Raum, in dem allein Begegnung stattfinden kann.
Pater Bertram Dickerhof SJ leitet den Ashram Jesu in Hadamar und ist Autor diverser Bücher
Georg Britting (1891–1964) ist ein heute fast vergessener Schriftsteller. Als ich sein Gedicht „Gras“ zum ersten Mal las (es handelt scheinbar simpel von einem in einer Wiese herumkletternden Käfer), hat es mich umgehauen. Allein schon in seiner Wortschöpfung „halmempor“ schwingt so viel mit! Es braucht nur dieses Wort, sofort steht ein überklares Bild vor meinem Auge: Sommertag, eine leichte Brise, Grillen zirpen, auf Augenhöhe macht sich der Käfer im grün-schattigen Gräsergewirr auf seinen Weg nach oben. Und gleichzeitig schwingt da die Erfahrung mit, dass genaueste Beobachtung des Kleinsten und die menschenmögliche Erfassung der Welt im Ganzen Hand in Hand gehen, das eine gelingt nicht ohne das andere.
Bettina Burchardt, Kalkar, ist promovierte Biologin, Autorin und Ghostwriterin.
Wir Deutsche haben keinen Vertrag mit der „Freiheit“. Wir haben einen mit „Gerechtigkeit“.
Eine wirklich freie Gesellschaft kann aber nicht ebenso gerecht sein, weil der vermeintliche Idealzustand der absoluten Gerechtigkeit immer in Unfreiheit mündet. Ich liebe aber meine „Freiheit“! Die Freiheit, zu leben, zu arbeiten, zu lesen, zu sagen und zu glauben, was ich gern möchte. Freiheit findet ihre Grenzen im Gesetz, nicht in willkürlicher und also parteilicher Moral. Freiheit hat Verantwortung in einer Gesellschaft, die die Selbstbestimmung ebenso betont wie die Selbstverantwortung. Denn diese ist im besten Sinne des Wortes so „frei“, die Schwächeren nicht zurückzulassen. Sie tariert aus, wo Übertreibungen sind, sie gleicht aus, wo das System Ungerechtigkeiten schafft, sie animiert, wo Antriebslosigkeit ist, sie fördert, wo Talent ist, aber keine Mittel sind. Freiheit belässt den Unterschied, Gerechtigkeit hobelt alles glatt. Lasst mir meine Freiheit!
Albrecht von Croÿ, Düsseldorf, ist Journalist und Unternehmensberater und theo-Gesellschafter